Forum "Haus zum Husky"

Wenn Hunde wildern

#1 von Yukkimaus , 13.04.2007 15:07

Habe da einen sehr guten Bericht in der neuen Zeitschrift Der Hund gefunden.
Den konnte ich euch einfach nicht vorenthalten. Ich stimme der Autorin zu.
Mal sehen was ihr dazu sagt.

Gruß
Yukkimaus


Wenn Hunde wildern

Leinen los um jeden Preis

Muss es erst soweit kommen, dass Hunde wildlebende Tiere hetzen oder gar töten, weil sich Hundebesitzer nicht an geltendes Recht halten?
Nein, meint Astrid Braun, eine erfahrene Jägerin und Reiterin, und plädiert für mehr Verständnis und Miteinander zum Schutz von Reh & Co.

Typische Rechtfertigung
Immer wieder spreche ich im Wald Spaziergänger mit frei laufenden Hunden an und bitte sie, diese anzuleinen (hier in Brandenburg gilt im Wald Leinenzwang). Die Rechtfertigungen sind überwiegend gleich: Mein Hund gehorcht aufs Wort. Mein Hund entfernt sich nicht von mir. Mein Hund hetzt nicht, er will nur spielen…

Oft sind die Hundehalter uneinsichtig oder leinen den Hund für kurze Zeit an, bis die glauben, ich sehe sie nicht mehr, um ihm dann wieder seine Freiheit zu schenken. Verwunderlich finde ich als Reiterin bei solchen Begegnungen, dass diese Hunde, die als so trieblos dargestellt werden, an meinem Pferd hochspringen und versuchen, meinem furchtlosen Reittier in die Sprunggelenke zu zwicken. Fänden die Halter es zum Schmunzeln, wenn ich vor ihnen zu Boden ginge?

Wir Menschen sind wohl auch nicht frei von Übersprungshandlungen. In welcher Gefahr sich ihr Hund in solchen Situationen befindet, scheint ihnen völlig unklar oder nebensächlich zu sein. Leider sind schon viele Pferde durch hetzende Hunde in Panik geraten und haben sich, ihren Reiter oder Dritte verletzt oder geschädigt.
Aber wir wissen ja: Der Vierbeiner braucht seine Freiheit.

Glücklich und erschöpft
Zurück zum Jagdtrieb: In der Zucht wurde bei Familien- u. Begleithunden eingegriffen, um das Jagdverhalten, soweit es möglich ist, zu verringern. Trotzdem hat dieses Verhalten überlebt. Es heißt, dass Hunde beim Jagen ein starkes Glücksgefühl empfinden und dieses immer wieder anstreben. Es ist also ein selbst belohnendes Verhalten. Auch wenn die Hunde auf die anschließenden Konsequenzen (Töten u. Fressen) verzichten, hat ihr Handeln für frei lebende Tiere Folgen.

Hier der Klassiker: Ich höre jemanden mehrfach seinen Hund rufen, er pfeift, er hat den Hund aus den Augen verloren, hört ihn aber noch, er gibt alles, um den Hund wieder in seine Gewalt zu bekommen.
Ich sehe, wie der Hund Rehe hetzt, die Verfolgung aber nach einigen Minuten einstellt und völlig glücklich und erschöpft Kontakt zu seinem Hundeführer herstellt. Dieser ist erleichtert, er wusste ja gleich, dass sein Vierbeiner dem Reh nichts tut, dieser wollte ja nur mit ihm spielen. Ein bisschen Bedenken hatte er wegen der schießwütigen Jäger; er hat mal gehört, dass die doch tatsächlich wahllos auf frei laufende Hunde schießen. Egal – es ist ja wieder gut gegangen. Um die Todesangst der Rehe macht er sich keine Gedanken. Sein Hund hat das Wild as dessen Ruhezone gescheucht, das Wild hat Kraft und Energie verbraucht, die ihm nun vielleicht an anderer Stelle fehlen.

Lauf um Leben und Tod
Wir Jäger wollen nicht immer den drohenden Zeigefinger heben. Mir sind Hundehalter, die verstehen, warum sie Dinge tun oder unterlassen sollten, doch viel lieber als die, die glauben, es ginge mir ausschließlich um meine persönlichen Belange. So ist das nämlich keinesfalls, wir sind bestrebt, den Tieren den Lebensraum zu erhalten und sie vor Störungen zu schützen.
Weder Rehe noch Hasen können nachempfinden, dass ein Hund sie nur aus „Spielerei“ hetzt. Für sie ist es ein Lauf um Leben und Tod, der auch hier und da schon tödlich verfangen in einem Wildschutzzaun oder auf einer Staße geendet hat. Auch das alleinige Durchstöbern von Hecken und Dickungen beunruhigt das Wild und veranlasst es zu Weiterziehen, obwohl es eher eine Ruhephase nach dem Äsen gebraucht hätte. Schlimmstenfalls flieht es auch über Straßen, was zu erheblichen Personen- und Sachschäden führen kann. Das böse Ende muss der Hundehalter gar nicht mitbekommen, wenn er Glück hatte, weil sein Vierbeiner sich rechtzeitig (für sich) abwandte.
Besonders gefährdet ist auch tragendes Wild, da sich die Tiere z.B. durch das erhöhte Gewicht in der Trächtigkeit nicht so schnell fortbewegen können. Auch hilflose Jungtiere werden leicht Opfer von hetzenden Hunden.

Gefahr wird unterschätzt
An diese Stelle fallen mir meine Reitkameraden/innen ein, die zunehmend Reitbegleithunde mit sich führen. Diese Hunde sehe ich rechts und links neben den Reitwegen in die Dickungen springen. Damit beunruhigen sie durch ihre reine Präsenz das Wild. Mir ist bewusst, dass es höchst gefährlich ist, einen Hund anzuleinen, wenn man selbst af dem Pferd sitzt. Daher lasse ich meinen Hund während des Ausritts zu Hause.

Gefährlich ist nicht nur das „Reißen“ der Tiere, sie beginnt schon sehr viel früher. Die alleinige Tatsache, dass sich der „Erbfeind Hund“ in der Nähe befindet, führt zu Stress bei den Tieren. Stress hat für sie eine jahreszeitlich abhängige Wertigkeit. So können im Winter derartige Beunruhigungen existenziell bedrohlich werden.

Nicht zu unterschätzen ist auch die Gefahr für die Hunde. Kommen sie an wehrhaftes und körperlich überlegenes Wild, wie z.B. Schwarzwild, so kann das für sie mit schwersten Verletzungen enden. Auch von Hirschen verletzte Hunde sind keine Seltenheit. Für kleine Hunde lauern bei einem „Abstecher“ in Fuchs- und Dachsbeuten ganz erhebliche gefahren. Es muss gar nicht zum Kontakt mit den Baubewohnern kommen. Baue können einstürzen und somit Hunde tödlich oder unauffindbar unter sich begraben

Verbreitete Unwissenheit
Sicher kommt es auch oft durch Gedankenlosigkeit und Unwissen zu unschönen Ereignissen. Hier ein kleines Beispiel: Im Frühsommer beobachtete ich einen jungen, sportlichen Mischling. Der voller Begeisterung in einem breiten Graben Enten hinterher schwamm. Als ich die Hundeführerin ansprach, warum sie den Hund nicht endlich aus dem Wasser hole, schlug mir Unverständnis entgegen. Der Hund spielt doch nur mit den Enten, sonst würden die doch wegfliegen, erklärte mir die Dame. Als ich ihr meinerseits erklärte, dass es sich um zurzeit fast flugunfähige Enten in der Mauser handelt, die langsam an ihre Leistungsgrenze stießen, war sie tief betroffen. Sie versicherte mir, dass sie das nicht gewusst hätte. Das glaubte ich ihr gern, die geschwächten Enten taten ihr nun Leid.
Sicher gibt es etliche solcher Beispiele, die aber zu verhindern wären, wenn nicht Bellos Freiheit oberstes Gebot in den Köpfen der Hundehalter wäre.

Zum Wohle der Wildtiere
Das Frühjahr ist angebrochen. Unsere heimischen Tiere werden bald ihren Nachwuchs hochziehen oder tun es vereinzelt schon. Dazu benötigen sie (wie auch unsere Hunde) Ruhe, Gelassenheit, Energie und Kraft, insbesondere in den Kinderstuben. Denken Sie auch an die vielen Bodenbrüter. Ihr Hund kann für sie unnötigerweise Stress und Aufregung bedeuten.

Wir als Hundeführer sollten endlich einsehen, dass wir unsere Hunde nicht überall uneingeschränkt und unangeleint mitführen können und dürfen und dieses auch akzeptieren.
Manchmal glaube ich eher, dass es dem oberen Ende der Leine entsetzliche Qualen zufügt, wenn er seinen Begleiter angeleint mitführt. Ist das wirklich so schrecklich? Und wenn ja, warum? Wer möchte sich anmaßen, die Freiheit des Vierbeiners über die Gesunderhaltung, die Unversehrtheit und das Wohlbefinden von frei lebenden Tieren zu stellen?

Ich hoffe, Ihnen, liebe Hundeführerin und lieber Hundeführer, mit diesen Informationen einen kleinen Einblick in die Lebensbedingungen der Wildtiere gegeben zu haben. Vielleicht kommt es ja dadurch zu weniger Konflikten, mehr Verständnis, Freude und Miteinander beim Nutzen von Natur und Umwelt.

Zur Autorin:
Astrid Braun, seit 1988 Besitzerin eines Jagdscheins, ist Mitpächterin in
einem Gemeinschaftlichen Jagdbezirk im Land Brandenburg. Ihren
Parson Russel Terrier hat sie selbst ausgebildet und führt in erfolgreich
auf jagdlichen und nicht-jagdlichen Prüfungen.

Quelle: Der Hund * 5/2007

 
Yukkimaus
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Registriert am: 18.12.2006


   

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