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Hunde: Wie viel Wolf steckt noch in ihnen?

#1 von Yukkimaus , 13.06.2010 21:53

Hunde: Wie viel Wolf steckt noch in ihnen?

Der Wolf im Hund – vollkommen domestiziert?

Wie viel Wolf steckt noch im Hund? Und was können wir uns von den Wölfen abgucken, wenn wir uns richtig um die Erziehung unserer Hunde kümmern wollen? Ein schwieriges Thema, denn etliches, was als angebliche Wahrheit aus der Wolfswelt kursiert, ist häufig durch nichts zu belegen. Vorurteile nur, eine Mär, ein Mythos – doch einer, der sich hartnäckig hält.

Klarheit in manch strittigen Fall – etwa die Vorstellung vom „Alphatier“ und dessen „Dominanzverhalten“ betreffend – können Leute bringen, die beides kennen: Hunde und Wölfe. Günther Bloch zum Beispiel, ein ausgewiesener Hundeexperte aus der Eifel und versierter Wolfsforscher, der sechs Monate im Jahr die frei lebenden Wölfe in Kanada studiert. Zusammen mit seiner Kollegin Elli Radinger, die ähnliche Forschungen an Wölfen im Yellowstone Nationalpark betreibt, hat er nun ein Buch geschrieben, das mit den alten Zöpfen um „Alphatier“ und „Dominanz“ ein für alle Mal aufräumen will. „Wölfisch für Hundehalter“ stellt anhand alltäglicher Situationen vor, was Wölfe tun, was sie lassen und warum – und welche Bedeutung das für den durchschnittlichen Hundehalter hat.

Eins ist dabei unstrittig: Ein entspannter Umgang von Mensch und Hund ist keine Zauberei. Doch gibt es natürlich Regeln, die man befolgen muss, um mit seinen Vierbeinern artgerecht umzugehen. Ziel dabei ist, in der Mensch-Hund-Beziehung ein Familienoberhaupt abzugeben, das ernst genommen und respektiert wird – ganz so, wie es auch in einer Wolfsfamilie abläuft.

Günther Bloch: Hunde brauchen kein dominantes „Alphatier“, sondern verantwortungsvolle „Leittiere“

Kanidenexperte Günther Bloch kennt solche Regeln des Zusammenlebens aus seinen langjährigen Studien in Kanada. Für ihn steht außer Frage, dass wölfisches Verhalten durchaus auf Hunde übertragen werden kann. Doch ebenso ist für ihn klar, dass mancher Mythos aus der Wolfswelt einfach nicht stimmt, zum Beispiel derjenige vom sogenannten „Alphatier“. Für Bloch haben viele Hundehalter noch das völlig falsche Verständnis von einer hierarchischen Hackordnung – oben ein Chef, der allen anderen „befiehlt“, eine Ordnung, die es in Wahrheit gar nicht gibt. Vielmehr ersetzen die Wolfsforscher diesen Begriff mit denen der „Leittiere“. Sehr bewusst wählen sie dabei den Plural, denn es sind immer Männchen und Weibchen gemeinsam, die einer Wolfsfamilie voranstehen.

Solche Leittiere haben vor allem viele Pflichten: Futter für die Gruppe aufzutreiben, Schutz, Geborgenheit – all das verantworten die Familienoberhäupter. Viel weniger geht es dabei um Privilegien und schon gar nicht um einen unbedingten Gehorsam, den sie angeblich stets von den rangniederen Tieren einfordern. Nach den Beobachtungen von Bloch und Radinger sind Leittiere grundsätzlich ziemlich entspannt und geduldig, doch nur bis zu einem gewissen Grad: Wenn es doch einmal „knallt“ in Sachen Erziehung, dann richtig – aber auch nur einmal. „Hit hard, but once“, heißt es dann in der Übersetzung der Wolfsforscher, also: „Schlag einmal richtig zu, dann aber ist die Sache auch erledigt.“ Günther Bloch ergänzt: „Wenn ich es als Leitwolf nötig habe, andere ständig zu kontrollieren, und es direkt abbreche, wenn sie mal eine eigene Initiative zeigen, dann merken die schnell, dass es mit der Autorität ihres Anführers offensichtlich nicht so weit her ist.“

Hundehalter sollten sich fragen: „Wie bin ich ein guter Chef?“

Im Kern geht es in der Mensch-Hund-Beziehung also um die Frage: „Wie bin ich ein guter Chef?“. Günther Bloch und Elli Radinger, die beiden Autoren von „Wölfisch für Hundehalter“, meinen: Garantiert nicht, wenn ich zum Beispiel meinen Hund zwinge, grundsätzlich nach mir zu fressen. Das nämlich ist der gängige Versuch vieler Hundehalter, ihre Dominanz unter Beweis zu stellen. Immer mit der Begründung: Das sei bei den Wölfen ebenso. Schlichtweg falsch, urteilt der Experte: „In der richtigen Wolfswelt gibt es ein motivationsabhängiges System. Das heißt also: Unabhängig davon, wie alt ein Wolf ist und welches Geschlecht er hat, fressen alle Wölfe zusammen – oder eben zu unterschiedlichen Tageszeiten. Und eben nicht: Der Alpha frisst zuerst und dann die Rangniedrigen. Das ist aus der Wolfswelt absolut nicht ableitbar.“

Kein Grund also, das Familienmitglied Hund unter die Knute zu zwingen. Gemeinsames „Futtern“ untergräbt keinesfalls die Hierarchie. Auf einem ganz anderen Blatt hingegen steht in der Hundeerziehung die Frage nach geeignetem Futter und seinem richtigen Ort. Ob in der Küche gefüttert wird oder nicht, muss jeder selbst entscheiden. Und Betteleien am Tisch sollten ohnehin nicht geduldet werden.

Ein weiteres Beispiel falsch verstandener Hierarchie, das die Buchautoren nennen: das strikte Verbot etlicher Hundehalter an ihren Hund, vor ihnen zu laufen. Ob beim Gassigehen, an Türen oder an einer Treppe – immer muss der Hund hinterdrein laufen, damit der Mensch als angenommenes Leittier in der Familie seine Autorität nicht verliert.

Neue Erkenntnisse aus der Beobachtung von Wölfen

Auch das ist aber eine unrichtige Ableitung aus der Wolfswelt, urteilt Günther Bloch, denn dort könnten Leittiere durchaus von hinten leiten. Im Übrigen sei es wie beim Fußballspielen: Der Dirigent in einer Mannschaft sei ja derjenige, der von der Mitte des Spielfelds aus seine Mannschaft lenkt.

„Dominanz“, fasst Hundeexperte und Wolfsforscher Günther Bloch den Kern seines neuen Buches zusammen, „ist keine Eigenschaft, die man einfach so hat.“ Seine Stellung müsse sich ein Leitwolf ebenso verdienen wie der Mensch – durch kluges, verantwortungsvolles und vorbildhaftes Verhalten. Eben ein partnerschaftlicher Umgang mit dem anderen und kein zwanghaftes Dominanzbestreben. Das erst sei im Umgang mit unseren Hunden wirklich artgerecht.

Buchtipp:
Günther Bloch, Elli H. Radinger
Wölfisch für Hundehalter
Von Alpha, Dominanz und anderen populären Irrtümern

Franckh-Kosmos, 2010
ISBN 9783440122648
Preis: 19,95 Euro

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