Forum "Haus zum Husky"

Wagenrennen aus tierärztlicher Sicht

#1 von Yukkimaus , 29.03.2007 18:14

Die Leistungsphysiologie
sportlich eingesetzter Schlittenhunde
oder Wagenrennen aus tierärztlicher Sicht


Die Leistungsphysiologie untersucht die Lebensfunktionen unter den Bedingungen des sportlichen Einsatzes im Training und beim Rennen.
Die Leistungsfähigkeit eines Schlittenhundes ergibt sich aus verschiedenen Einflußgrößen, die als Folge Kraft, Schnelligkeit und Ausdauer bedingen und ihre Gesamtheit als Ergebnis zur Rennleistung führen.
Die Bewegungsdynamik entsteht aus einem Wechselspiel von Bewegungsabläufen, deren Prinzip in einer Verschiebung des Schwerpunktes nach vorn besteht, wobei der Impuls immer von einem Hinterbein ausgeht und über eine Gelenkstreckung zur Schubkraft führt. Die Vorderbeine wirken dabei als abfedernes Auffangsystem.
Zur Änderung der Geschwindigkeit können Hunde ihre Gangart ändern oder die Schrittfrequenz vergrößern.
Um Muskelarbeit ohne größere Ermüdung durchführen zu können, muß Sauerstoff in ausreichender Menge zu den arbeitenden Muskeln gebracht werden. Der Weg, der dabei durchlaufen wird, heißt; Lunge, Blut, Muskeln.
Als Atemnot wird eine erschwerte Atmung bezeichnet, die dann auftritt, wenn der Muskelstoffwechsel hauptsächlich in Abwesenheit von Lungensauerstoff (anaerob) abläuft und dadurch der Organismus mit Milchsäure überschwemmt wird. Die Atemnot kann durch Training und/oder Abnahme des Körpergewichtes gemindert werden. Das Hecheln des Hundes ist keine Atemnot.
Die Aufgabe des Blutkreislaufes ist neben anderen wichtigeren Abläufen auch die, laufend Stoffe für den Stoffwechsel bereitzustellen und die anfallenden Abbauprodukte abzutransportieren.
Den zentralen Motor für die Blutbewegung bildet das Herz, welches man sich als zwei Pumpen vorstellen muß, deren Hübe gleichzeitig (synchron) verlaufen. So ist das Herz in der Lage, sich gesteigerten Belastungen durch Erhöhung der Pumpleistung anzupassen.
Das Blut setzt sich aus Blutplasma, roten und weißen Blutkörperchen und Blutplättchen zusammen.
Die Gesamtblutmenge eines Schlittenhundes beträgt etwa 1300 - 1850 ml, wobei dies etwa 1/13 - 1/14 des durchschnittlichen Körpergewichts entspricht.
Anhand der Zahl der roten Blutkörperchen (Erythrozyten) läßt sich die Streßtoleranz der Hunde ermitteln und die Eiweißversorgung über die Fütterung überprüfen.


So ist jeder Muskel als eine Maschine zu sehen, die die „chemische“ Energie aus der Nahrung in „mechanische“ Energie umwandelt.
Muskelfasern sind die Grundelemente des Muskels. Auf Grund verschiedener Eigenschaften differenziert man in drei Fasertypen:
- Typ I (ST) - slow twitch - solche, die nur sehr langsam kontrahieren und ermüden
- Typ II B (FT) - fast twitch, die schnell kontrahierenden und schnell ermüdenden Fasern
- Typ II A oder FHT = fast twitch, der Übergangstyp.


Hat der Hund seine Glykogenreserven (vorwiegend in der Leber und im Muskel vorkommendes Reservekohlenhydrat) verbrannt, bildet er die benötigte Energie aus Fettsäuren. Deshalb sollte die Energieversorgung vorrangig über Fette erfolgen.
Ein Teil der entstehenden Energie wird in Wärme umgewandelt. Aber nicht nur während der direkten Muskelarbeit entsteht Wärme, sondern auch noch gewisse Zeit danach bildet sich „Erholungswärme“, durch Oxidation der Milchsäure in Gegenwart von Sauerstoff, der dann wieder in ausreichender Menge verfügbar ist.
Deshalb sollten nach dem Training oder Rennen den Hunden ausreichend Zeit gewährt werden, um ihre Körpertemperatur auf die normale Höhe zu bringen.
Schlittenhunde verfügen über hervorragende Möglichkeiten ihren Stoffwechsel der zu leistenden intensiven Lauf- und Zugarbeit anzupassen. Aber ist die Anpassung nicht unbegrenzt und ab einem gewissen Punkt entsteht Sauerstoffmangel, was heißt, daß die notwendige Energie nicht mehr unter Mitwirkung von Sauerstoff gewonnen werden kann. Allerdings wird dieser Punkt sehr spät erreicht. Die Fähigkeit, die Energie auch bei sehr hohem Bedarf unter Beteiligung von Sauerstoff (aerob) zu gewinnen, begründet auch die Leistungsfähigkeit und Ausdauer von Schlittenhunden.
Jeder Hund verfügt über eine „zentrale Ermüdung“, welche der muskulären Ermüdung vorgeschaltet und als Schutzfunktion zu sehen ist. Zu welchem Zeitpunkt dieser Schutzmechanismus einsetzt, wird durch individuelle Schwankungen geregelt und erklärt, warum es Unterschiede in Bezug auf „Härte“ oder „desire to go“ zwischen den Schlittenhunden gibt.
Sowohl beim Training oder beim Rennen, aber auch in der normalen häuslichen Umgebung sind Schlittenhunde Streß ausgesetzt, wobei zahlreiche Einflußfaktoren eine Rolle spielen. Ein eindeutiger Zusammenhang besteht zwischen Streß und Ermüdung, zwischen Temperaturregulation und Leistung, zwischen Verdauungsstörungen, Austrocknung und Streß.
Auch unabhängig von Umgebungstemperaturen kann ein Hund seine Körpertemperatur konstant halten.


Die normale Körpertemperatur wird durch bestimmte Einflußgrößen, wie Tageszeit, Alter, körperliche Leistung, Futteraufnahme, bestimmten Schwankungen unterworfen. Will man die Körpertemperatur ermitteln, so mißt man im After.
Sie liegt im Durchschnitt zwischen 38° -38,5°C.
Jede Muskelkontraktion geht mit Wärmeentwicklung einher, die bestimmt wird durch die Intensität der geleisteten Arbeit, der zeitlichen Dauer der Belastung und der Umgebungstemperatur.
Die Temperaturregulation des Hundes erfolgt über eine erhöhte oder herabgesetzte Wärmebildung und über Abgabe von Wärme. Will der Hund die Wärmeabgabe steigern, erhöht er seine Atemfrequenz (= Hecheln) und bewirkt durch die heraushängende Zunge eine gesteigerte Verdunstung von Speichel und Schleim.
Sinn des Trainings ist es, alle an den Lauf- bzw. Zugleistung beteiligten Organsysteme an die geforderte Zugleistung anzupassen.


Kathy Frost hat einmal gesagt:
„Viele Musher sind schlechte Trainer, bevor man überlegt, wie man einen guten Hund bekommt, sollte man überlegen, wie man ein guter Trainer wird.
Die Hunde, die ich besitze, sind hart und schnell, aber sie sind nicht alle gleich schnell. Es ist meine Aufgabe als Trainer, mir zu überlegen, wie ich es einem langsameren Hund leichter machen kann, das Niveau des Teams zu erreichen.“


Wie man Schlittenhunde am besten trainieren soll, erlernt man nicht durch nächtliche Kopfkissenlektüre. Dazu bedarf es solider theoretischer und praktizierter Erfahrung. Die besten Ergebnisse wird ein gut informierter und zur Selbstkritik bereiter Musher erzielen. Er muß in der Lage sein, nach einem eigenen maßgeschneiderten Trainingsplan in hoher Qualität mit seinem Team zu trainieren.
Aus leistungsphysiologischer Sicht sind auch unsere mitteleuropäischen „Sprintrennen“ letztlich Ausdauerrennen.
Sicher ist es schwer, die Grenze zwischen Sprint-, Mittel- und Langstreckenrennen zu finden, doch jedes Rennen, welches länger als 3 - 5 Minuten dauert, setzt beim Hundeorganismus „Ausdauer“ voraus. Auf allgemeine Ausdauer können Kraft und letztendlich Schnelligkeit sehr gut aufgebaut werden.
Das Ausdauertraining wirkt gezielt auf die Verbesserung der wichtigsten Körperfunktionen (Herz-Kreislauf, Lunge, Stoffwechsel) und ist damit die Basis, auf welcher dann durch weiteres Training Kraftausdauer und Schnelligkeitsausdauer entwickelt werden, um damit das sich gestellte Trainingsziel zu erreichen.
Auch in unseren mitteleuropäischen Breitengraden sind Höchstleistungen der Schlittenhunde von der Ausdauerleistungsfähigkeit der Tiere abhängig.


Nun fragt man sich, was hat das vorangestellte mit einem Schlittenhunde-Wagenrennen zu tun?
Dem aufmerksamen Leser ist wohl nicht entgangen, daß die Beachtung der Leistungsphysiologie Voraussetzung für das körperliche Leistungsvermögen unserer Hunde ist.
Was passiert, wenn die Grundregeln eines richtigen Trainingsaufbaues nicht beachtet werden, wenn Hunde zu jung oder zu untrainiert beim Rennen eingespannt werden? Wenn der persönliche Ehrgeiz über die Außentemperatur siegt?
Beim normalen Training verzichtet man wohl eher auf den Start, wenn das Thermometer Temperaturen über 10° - 15°C anzeigt, oder man verlagert die Trainingszeiten in den kühleren Nachtbereich.
Was ist, wenn die Luftfeuchtigkeit extrem hoch ist ?
Der Hund muß zusätzlich Energie verbrennen, um seine Körpertemperatur konstant zu halten. Die hohe Luftfeuchtigkeit beeinträchtigt die Isolationseigenschaften des Felles.
Ignoriert man als Musher dieses Warnzeichen, kann ein überforderter Hund einen H i t z e s c h o c k oder H i t z s c h l a g (Hyperthermie) erleiden.
Durch die Ausdauerleistung erhöht sich die Körpertemperatur auf mehr als 40°- 41°C. Dies sind kurzzeitige Erhöhungen, die durch die erbrachte körperliche Leistung verursacht werden. Wenn der Regulationsmechanismus des Hundes gut funktioniert, sollte sich seine normale Körpertemperatur zwischen 38° - 39°C innerhalb von 15 -30 Minuten nach dem Lauf erreicht werden.
Körperliche Belastung gepaart mit hoher Außentemperatur und /oder hoher Luftfeuchtigkeit, sowie die mangelhafte Möglichkeit, durch Verdunstungskälte die Körpertemperatur zu erniedrigen und Streß können zur Hyperthermie führen.


Symptome einer Überhitzung:
- atmen mit weit geöffneten Fang, schnelles Hecheln (respiratorische- Übersäuerung des Blutes, Gehirnödem)
- tiefe schwerfällige Atmung (10 - 30 Atemzüge/Minute normal)
- Abfall der Laufgeschwindigkeit (Durchhängen der Leine)
- schwankender, unsicherer Gang mit Koordinationstörungen
- Durchfall, Erbrechen
- Erhöhte Herzfrequenz
- Keine Normalisierung der Körpertemperatur innerhalb von - 15 - 30 Minuten nach Laufende
- völliger Zusammenbruch.

Was passiert im Körper?
Durch die anhaltende Erhöhung der Körpertemperatur kommt es zu einer Veränderung des Zelleiweißes, was eine Vielzahl von schwerwiegenden Folgeschäden im Körper auslösen kann:
- Nierenversagen, Volumenmangelschock, Gerinnungsstörungen.
Ebenso kann es besonders bei arbeitsfreudigen jungen Hunden zu eine Unterzuckerung kommen, die wenn sie mehrfach provoziert wurde, durch bestimmte Stoffwechselprozesse im Körper in einer Epilepsie des Hundes enden kann.


Ich denke, daß aus dem Dargestellten deutlich wird, welche Verantwortung wir als Musher unseren Hunden gegenüber haben. Wir sind es, die die Hunde ins Team spannen und jeder einzelne trägt seine persönliche Verantwortung.


Was für rennähnliche Veranstaltungen oder Trainingsrennen spricht, ist ein trainieren des Streßfaktors.
Vielleicht wäre „Trainingsrennen“ der bessere Ausdruck, ohne Druck einer Zeitnahme, aber den Möglichkeiten, die verschiedenen Situationen zu trainieren und durch Einlegen von Zwischenstopps den Hunden bei höheren Temperaturen Erholungsphasen zu gewähren.

Ein Bericht von:
Dagmar Kriegler
DSSV Verbandstierarzt

 
Yukkimaus
Veteran mit Leistungsnachweis
Beiträge: 5.455
Registriert am: 18.12.2006


   

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